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St. Wilfridus Kastel

St. Wilfridus Kastel

Die älteste, als geschichtlich gesichert geltende Erwähnung des Ortes Kastel findet sich 1235 im »Verzeichnis der Güter, welche der Graf von Veldenz vom Bischof von Verdun zu Lehen trägt.« In diesem sogenannten Verduner Lehensverzeichnis ist Kastel als erster der 18 Höfe der Abtei Tholey im Text wie folgt genannt:

»De casamento eomitis de Castris est advocatia abbacie Tholeie cum decem et octo curtibus suis. Dront scilicet, villa que decitur Castres, Bleydedringen...« (Die Vogtei der Abtei Tholey mit ihren 18 Höfen gehört zum Hause des Grafen von Blieskaste!. Natürlich auch ein Ort, der Kastel ... genannt wird.)

Als eigentliche weltliche Herrscher zur damaligen Zeit sind die Grafen von Blieskastel anzusehen. Ihnen unterstand die Vogtei der Abtei Tholey mit den genannten 18 Höfen, also auch Kaste!. Schon um 1185 hatten die Grafen von Blieskastel die unteren 12 m des späteren Kirchturms errichten lassen.

Der Tholeyer Abt Gregor aus dem Hause der Grafen von Blieskastel und dem Geschlecht der Folmare wurde 1171 zusätzlich Abt im Kloster Prüm. In Trier kämpfte Bischof Folmar von Blieskastel von 1183 -1190 um seine Anerkennung als Bischof, und die Familie selbst stellte die Vögte der Abtei Tholey. Der Einfluss dieser Grafenfamilie war von 982 bis 1237 für unsere Gegend von erheblicher Bedeutung.
Als 1236 mit Graf Heinrich das Grafenhaus Blieskastel im Mannesstamm ausstarb, kam seine Tochter Elisabeth in den Besitz der Grafschaft. Sie heiratete 1238 Reinhald von Bitsch, den Bruder des Grafen Matthäus von Lothringen. Da die Ehe kinderlos blieb, erhob der Neffe des Grafen Reinhald, der Herzog Friedrich von Lothringen, 1275 Anspruch auf die Grafschaft Blieskaste!. In einer Fehde mit dem Grafen von Salm, der mit einer Schwester Elisabeths vermählt war, konnte er sich behaupten und blieb im Besitz der Verduner Lehen im Raum Tholey. Ab dem 2. November 1291 blieb nun das Amt Tholey und mit ihm Kastel und die Dörfer im Löstertal über Jahrhunderte deutsch-Iothringisches Land.

Die ältesten schriftlichen Nachrichten über die Pfarrei Kastel sind die Papsturkunden von Innozenz IV. und V. aus den Jahren 1246 und 1276, in denen der Abtei Tholey neben dem Grundbesitz und den Grundrechten (Mühlen und Fischereirecht) das Patronats-und Zehntrecht der Kasteler Kirche, die nach späteren Nachrichten den h!. Wilfrid von York zum Patron hatte, zugebilligt wird. Die »taxa generalis« nennt eine Kirche in Kastel für die Zeit um 1330, und der Collator für Kastel war bis ins späte Mittelalter der Abt von Tholey.

Der erste Pfarrer von Kastel, den wir mit Namen kennen, war 1317 Johann Hudestock von der Schaumburg, »Pfarrer von Theley und Kastel«. Er entstammte einer Familie, die in Tholey und St. Wendel begütert war, er nannte Theley und Kastel »seine Dörfer.«"
Kaiser Karl IV. bestätigte am 31 .05.1370 dem Kurfürsten von Trier alle seine Rechte und Besitzungen. Kastel erscheint hier neben St. Wendel als zur Metzer Diözese, aber zum Trierischen Territorium gehörig.

In den Weistümern von 1450, 1592 und 1618 ist Kastel miteinbezogen als Tholeyer Hof: »Das Gotteshaus in diesem Dorf CasteIl ist ein besonders freier und ganz adeliger Hof, war zu besonderen Gütern an Wiesen Feldern Buschwilderungen, welche an jetzo ausgelehnt...«

Die Pfarrei Kastel hat den Dreißigjährigen Krieg unter großen Verlusten, aber ohne Unterbrechung überstanden. Der Pfarrbezirk, identisch mit Vogteien genannten Erblehen in Kastel, Kostenbach, Buweiler und Rathen ( Zur Achten) waren zum Tholeyer Hof in Kastel zusammengefasst, und als kurz nach 1600 die Braunshauser katholisch blieben, wurden sie angewiesen, sich in Kastel einzupfarren, wo sie mit einigen Unterbrechungen bis nach dem 2. Weltkrieg blieben, die Löstertaldörfer wurden schon 1885 zur eigenen Pfarrei erhoben.

Wie aus den Karlsurkunden von 1370 ersichtlich, gehörte Kastel schon im frühen Mittelalter zur Diözese Metz, kam später zu Trier, 1794 wieder zu Metz und 1821 wieder zu Trier.

Ebenso gehörte Kastel ursprünglich zum alten Landkapitel Wadrill, später zum Dekanat Hermeskeil, dann Wadern und ab 1980 Tholey.

Neubau der Pfarrkirche von 1777

Die heutige Pfarrkirche ist der Chronik zufolge die vierte Kirche an etwa der gleichen Stelle, die beiden ersteren waren vermutlich an den Turm angehängte Holzkirchen, über die wir keine genauen Kenntnisse haben.
Von der dritten Kirche aus dem 16. Jahrhundert liegen uns Beschreibungen vor, die eine genaue Rekonstruktion ermöglichen. Im Jahr 1774 beschreibt der Baumeister des Herzogs von Lothringen, Nikolaus Robin aus Faulquemont, im Rahmen eines Protokolls, welches er über den Zustand der Kirche anfertigte, deren Abmaße und Lage sehr genau .
Diese Kirche stand hinter dem Turm, nicht wie die heutige, die rechts daneben steht. Die Nordwestseiten von Turm und Kirche bildeten eine Flucht. Der Eingang dieser Kirche lag auf der Südseite zum Pfarrhaus hin, von dort führte eine Treppe bis 1955 hoch zur Kirche. ·Da der Kirchhof sehr klein war, wurden die Gebeine aus wiederbelegten Gräbern in einem sogenannten Ossuarium aufbewahrt. Dieses Gebeinshaus stand rechts vom Eingang der Kirche, und etwas weiter in östlicher Richtung stand die Sakristei.

Das Kirchenschiff lag zwischen Chor und Turm, 8,15 m lang und 7,15 m breit, das Chor war 4,90 m im Quadrat. Der Turm in quadratischem Querschnitt von 2,80 m (innen) war mit Satteldach 13 m hoch Von der Kirche führte eine Tür in den alten Turm, die 1955 zugemauert wurde, aber heute noch gut erkennbar ist.

Diese alte Kirche hatte den 30jährigen Krieg gut überstanden, wurde aber 1692 als reparaturbedürftig erklärt. Die Visitatoren forderten von der Abtei Tholey, der Zehntherrin, die erforderlichen Ausbesserungen, sonst wären die Pfarrkinder berechtigt, sich durch Zurückhaltung des Zehnten selbst zu helfen.

1739 wird die Kirche in gutem Zustand, mit Schiffer gedeckt, (vorher mit Stroh), aber für die aber für die Pfarrei als zu klein geschildert. 1760 war die Kirche alt und baufällig, einem Stall ähnlicher als einem Haus Gottes.
Der Sachverständige des Herzogs von Lothringen, Nikolaus Robin, hielt am 3.4.1776 eine Nachuntersuchung mit folgendem Ergebnis fest: »totalement en ruin, n'ayant plus que un bout de mur sans toiture« (gänzlich zerfallen, nur noch Mauerreste ohne Dach).

Der Turm war noch gut, er musste lediglich repariert werden, die Mauern des Kirchhofs lagen danieder, ebenso die Sakristei in Trümmern ohne Dach.
Diese Kirche, in mehreren Visitationsberichten bemängelt, wurde schließlich 1771 interdiciert, also durften keine Gottesdienste mehr dort stattfinden. In einem Gerichtsverfahren, 1774-1776, dessen Protokolle uns erhalten geblieben sind, wurden die Zuständigkeiten für die Errichtung einer neuen Kirche geklärt.

Der Bau der neuen Kirche, als Resultat aus den Prozessen, begann 1777, und Definitor Leonhardt, der Pfarrer von Kastel, ließ das Kirchenschiff der alten Kirche niederreißen. Er wollte die neue Kirche an das alte Chor anbauen, da er dieses noch für gut hielt und nach damaligem Recht für die Kosten des neuen Chores aufzukommen hatte, während der Zehntherr für das Schiff kostenpflichtig war und für das Übrige die Pfarrkinder. Als nun das Schiff niedergerissen war, kamen nachts mehrere Leute mit Hebeisen und Schmiedehämmern und brachten das Chor zum Einsturz.
Um eine größere Länge der neuen Kirche zu erreichen, hatte der Architekt Robin in seinen Plänen den seitlichen Anbau den Schiffes an den Turm vorgesehen. In einer Baubeschreibung, von Robin eigenhändig geschrieben, legt er alle Details fest, vom Anlegen der Fundamente bis zum Dachfirst schreibt er alles in seiner »Devise de Construction« fest, ebenso die Sandgruben und Steinbrüche.

Doch die Ausführenden hielten sich nicht korrekt an die Anweisungen Robins, was zu großem Ärger bei der Bauabnahme führte, worauf später eingegangen wird. Die Steine wurden auf der Fels und die behauenen Steine für Fenstereinfassungen und Portal auf dem Lümet auf Braunshauser Bann, gebrochen. Ein Mann mit Namen Haupenthal fuhr die Steine des Portals nach Kastel.
Pfarrer Leonhardt hatte sich für den Unternehmer verbürgt. Schon der heute noch vorhandene Kostenvoranschlag enthielt Rechenfehler, und es stellte sich heraus, dass er viel zu niedrig angesetzt war. Der Unternehmer meldete Konkurs an und Pfarrer Leonhardt musste alles bezahlen. Dies traf ihn so schwer, dass er ein Jahr später an Herzeleid verstarb, wie die Chronik berichtet. Er fand seine letzte Ruhe rechts von der Kirchentür.
Sogar der Bruder des verstorbenen Pfarrers wurde bei dem Bauabnahmeprozess zur Zahlung von 500 lothringischen Livres verurteilt.

Der Baumeister

»Am heutigen Tag, dem 23. April 1776, Wir, Nikolaus Robin, Oberinspekteur für Brücken, Strassen, Gebäude und Hütten der (franz.) Krongüter im deutschen Bezirk Lothringens, wohnhaft in Faulquemont, durch Herrn Tailleur, königlicher Rat, Generalleutenant und Subdeligierter des Oberamtes Schaumburg, beauftragt, den Zustand der Pfarrkirche zu Kastel durch eine Besichtigung zu erkunden und in Ausübung bzw. gemäß dem Urteil vom 30. April 1774 zu beschreiben.«

So stellte sich Robin in der Bauvorschrift der Kasteler Kirche vor, als er den Zustand der alten Kirche beschrieb und in einem Einigungsprozess die verschiedenen Parteien zu einer Lösung drängte, nämlich den Neubau der Kirche. Wer war dieser Mann aus Faulquemont? Er war schon als junger Mann im Jahr 1758 in die Dienste des Herzogs von Lothringen eingetreten. Für ihn baute er Straßen und Brücken, wie wir aus alten Rechnungen aus dem Archiv in Nancy wissen. 1774-1778 baute er unsere Pfarrkirche, 1786 entwarf er das neue Schulhaus, welches an die Stelle des alten trat, am Nordwestausgang des Kirchhofes. (heute Haus Hoffmann Gerh., Dr.-Spangstrasse 19) und im gleichen Jahr zeichnete er eine Karte des Herzogtums Lothringen. (Archiv Nancy 1006/C 108)
Seine hohen Anforderungen konnten von den in Kastel tätigen Unternehmern nicht erfüllt werden. Vieles beanstandete er an der neuen Kirche, insbesondere die Auswahl der Steinbrüche, die er als katastrophal empfand. Und so folgte neben dem finanziellen Desaster, er hatte sich bei der Kalkulation um mehr als 10% verrechnet, auch noch die kritische Bauabnahme, die die Folgeprozesse auslöste.
Er wollte die Kirche schöner und exakter ausgeführt haben, vielleicht ist es schade, dass man ihm nicht genau gefolgt ist.

Der Grundherr

1775 stand die Abtei Tholey unter Leitung eines von Frankreich eingesetzten Kommandatarabtes, der nicht einmal in Tholey wohnte und die Hälfte aller Einnahmen für sich beanspruchte. In den Rechtsgeschäften war die Abtei, was Kastel betrifft, durch den Advokaten Blandin vertreten. Die Abtei war nach geltendem Recht verpflichtet, die Kosten für das Schiff zu übernehmen, wie aus der Bauanweisung Robins genau zu entnehmen ist.

Pfarrer

Peter Leonhardt war von 1748 bis 1775 Pfarrer in Kastel, 1770 wurde er Definitor des Landkapitel Wadrill, ein sehr geschätzter und beliebter Geistlicher, dem es nicht zu viel war, selber mit Hand anzulegen. Er stammte aus Drohn an der Mosel. In seine Zeit fiel ein bedeutendes politisches Ereignis: Durch den Tod des Herzogs von Lothringen, Stanislaus Lescinski, im Jahre 1766 kam Lothringen und somit auch die Pfarrei Kastel unter die französische Krone. Amts-und Gerichtssprache wurde französisch.
Sein Nachfolger wurde der in Busendorf geborene Karl Johann Taffin, der sein Amt von 1778 bis 1791 ausübte. In seine Amtszeit fiel der Ausbruch der Französischen Revolution im August 1789. Am 27. Brachmond (Juni) 1790 hielt er als »aumonier (Feldgeistlicher) de la garde National du District« eine Rede in Saarlouis an die Wahlmänner deutscher Sprache.
Sie lautete im Originaltext:
»Tugendvolle Bürger, wackere Vertheidiger des Vaterlandes und Verwahrer der Bürgerlichen Freyheit, ihr Nationalwächter des Districtes an der saar! Höret aus dem Munde eines Kameraden die Ausdrücke der Brüderlichen Liebe des Saarlouje Batallions:
Die Glieder derselben haben mich bevollmächtigt, um euch die Freude zu beschreiben, ihre Herzliche Freude, Euch in euern Mauern zu besitzen. Wir hoffen, hinfüro sollen Einigkeit und Übereinstimmung der gemüther, diese einzigen Mittel, uns den Genuss des Grundgesetzes zu versichern, die Heiligen Bande unserer brüderlichen Verbindung seyn. Wollen wir das Ansehen gewinnen, als geliebte Söhne des besten Vaterlandes, so lasset uns die allgemeinde Ruhe höher als Gold, und die Gesetze über alles werth schätzen.
Solche sind, ihr wackeren Kameraden, die Freundschaft und alle Wünsche eurer Brüder in Saarlouis - überhaupt, welche sich absonderlich versammelt einfinden im Herzen des glücklichen Franzmannes, - der da die Freude genießt, sein ganzes Gemüzh euch mitzutheilen.«
(Quelle: Festschrift »700 Jahre Pfarrei St. Wilfridus Kastei«, 1977 Archiv der Abtei Tholey Landesarchiv Saarbrücken)

Wilfried Haupenthal, Kastel